Ja, warum?
Warum läßt Ihr Thomänner Euch immer ein neues, interessantes Tele-Derivat einfallen, welches ich dann unbedingt haben muß? Warum wollt Ihr unbedingt meine Kohle haben? OK, ist nicht ganz ernst gemeint.
Früher als erwartet ist die HB TE-90QM bei mir eingetroffen. Diese Variante ist insofern interessant, als man sie als Missing Link zwischen den "F"- und "G"- Philosophien verstehen kann: Mahagoni-T-Body, Ahorn-T-Hals, Ahorndecke, Semiakustik mit Sustainblock, 2x P90er, also ein vielversprechender Mix beider Welten.
Weil die Produktbeschreibung auf der Homepage nicht alle Infos enthält, hier ein paar Ergänzungen:
String-thru-Body und Brücke, Sustainblock im Körper (nur die Wangen sind hohl), kein Graphitsattel, könnte aber ein Knochensattel sein, er wirkt ziemlich hart. Ansonsten stimmt alles andere überein.
Optik:
Ich habe keine Mängel feststellen können. Das Holz schimmert sehr schön unter der Lackierung durch, die Bindings sind gleichmäßig aufgetragen, keine Einschlüsse in der Lackierung, schlanker, matt lackierter, gut eingepasster Hals, Bünde poliert, sauber abgerichtet, gleichmäßige Maserung des Griffbretts, alles im grünen Bereich. Das gewählte Rot ist wirklich ein schöner, satter Farbton. Die Hülsen für die Saitendurchführung sind sauber und gleichmäßig eingepaßt. Den bunten Endringen und dem Anhänger nach zu schließen sind tatsächlich D'Addario Saiten verbaut. Allerdings keine A1-Qualität, denn meine Saiten weisen Schäden auf, die man spürt, wenn man mit dem Finger entlangfährt.
Mechanischer Probelauf:
Die Grundeinstellung war durchaus spieltauglich, wenngleich mit einigem Headroom in Richtung besser. Der Hals war etwas zu gerade gespannt, weshalb eine relativ hohe Saitenlage eingestellt war. Aber nach dem Stimmen war ein einigermaßen sauberes Spiel möglich. Schalter und Regler laufen gut. Großes Lob für die Mechaniken: sehr weich und gleichmäßig drehend, kein Kratzen, stimmstabil.
Die Brücke sieht auf den ersten Blick massiv, stabil und gut aus, dazu aber später mehr. Die Sattelkerbungen sind recht gut ausgeführt.
Trotz Hohlkörper ist die Gitarre relativ schwer. Könnte am Holz liegen. Hübsch: Der Body wurde innen schwarz lackiert, sodaß durch die F-Löcher kein nacktes Holz schimmert. Die Kabel sind recht sorgfältig verlegt und fixiert.
Ton im Originalsetting:
Grauenhaft. Sowohl trocken als auch am Amp. Einfacher Grund: die P90 dürften ziemlich starke Magneten haben und waren einfach viel zu hoch eingestellt - das übliche HB-Leiden. Warum will keiner kapieren, daß Single Coils mehr Saitenabstand erfordern als Humbucker? Beide für's erste Testen um rund 4mm tiefer gestellt und die Saiten konnten frei schwingen. Dabei fiel mir auf, daß die P90 im Ton extrem stark auf Positionsänderungen reagieren, viel mehr als Humbucker oder normale Single Coils. Gut ist, daß Polschrauben vorhanden sind, womit man die Saitenlautstärke feinjustieren kann.
2 Stunden später:
Die üblichen Anpassungsarbeiten (Halskrümmung, Saitenlage, Intonation, PU's, etc). Dabei fiel mir auf, daß die Brücke zwar hübsch & massiv aussieht, aber a) nicht unbedingt optimal positioniert ist (gerade noch akzeptabel, ginge aber besser) und b) ausführungsmäßig eigentlich Müll ist. Sowohl die Schrauben zur Längsverstellung der Saitenreiter als auch die Madenschrauben für die Höheneinstellung funktionieren schlecht, bei manchen dreht der mitgelieferte Inbusschlüssel leer durch. Ich konnte mir mit eigenem Werkzeug und ein paar Tricks helfen, aber diese Brücke gehört in den Mist. Sie sollte auch so positioniert sein, daß bei korrekter Intonation die Saitenreiter etwa in der Mitte des Verstellbereichs stehen, meine stehen alle viel zu nahe an den Saiten-Durchgangsbohrungen. Die Brücke sollte etwa 3-5mm weiter Richtung Zarge montiert sein. Egal, ich habe es hinbekommen, aber eben am letzten Drücker.
Trotzdem: warum so eine miese Brücke bei dem hohen Anspruch, den das Instrument ansonsten erfüllen kann? Und warum ist die Positionierung nicht besser gewählt?
Die Justierung der Pickups nahm einige Zeit und Geduld in Anspruch, weil sie so empfindlich auf die Saitendistanz reagieren (im Output wie auch im Ton) - das kann durchaus ein gutes Zeichen sein. Ich bin kein Markenfetischist und habe bisher mit Wilkinson Teilen gute Erfahrungen gemacht. Letztlich bestätigte sich diese Erfahrung auch hier wieder.
Nach Justierung darf ich feststellen, daß die Gitarre auch im Ton ein Zwischending zwischen F und G darstellt: Der Bridge PU bringt glasklare Höhen, aber mit etwas mehr Druck als es ein normaler SC schafft, das zeigt sich spätestens bei aktivierter Zerre. Der Hals-PU kann von Allem etwas: klare Höhen und warme, cremige Bluestöne, wenngleich ein Humbucker in den Tiefen noch etwas mehr Druck liefern kann. In der Zwischenposition klingen die beiden P90er ausgewogener, als es normale Tele-SC's können. Spielt man sich mit dem Tonregler, ist auch diese Schalterposition sehr gut nutzbar. Definitiv kann man mit diesem Instrument eigentlich alle Musikrichtungen bedienen, obschon sich die Anhänger der härtesten Fraktion allein schon aus optischen Gründen sicher nicht die TE-90QM umhängen werden. Und ja, gnadenlose Twang-Fans werden vielleicht auch nicht jubeln, aber im Grunde geht alles.
Ich gebe dem Instrument jetzt ein paar Wochen Zeit, damit sich das Holz akklimatisieren kann, dann wird nachgearbeitet. Eventuell werde ich im Zuge dessen auch 010er Elixier aufziehen und bin mir im Klaren, daß das wahrscheinlich auch eine lästige Nachjustierung der PU's bedeuten wird. Für Saitenexperimente ist dieses Instrument in der gegebenen Konfiguration jedenfalls zu mühsam. Ein einmal gefundenes Setup ist unbedingt beizubehalten.
Alles in Allem: Ich habe ein Exemplar einer Erstserie erwischt, somit war ein gewisses Risiko einkalkuliert. Die Idee hinter der Konfiguration ist gut und die Basis stimmt auf alle Fälle, die Brücke ist allerdings Grund für ein massives: WARUM?
Nämlich: warum mit dieser Brücke das sehr gute Gesamtkonzept in Frage stellen?