Von außen sieht dieser Koffer gut aus, und macht einen sehr robusten Eindruck sowohl im Deckelbereich wie auch am Boden. Er dürfte problemlos einen heftigeren Rempler überstehen. Und er hat eine Besonderheit, die ihn von allen anderen "Hartschalenkoffern" unterscheidet: er hat eine nennenswerte thermische Isolierung.
Der Kasten hat auf der Unterseite Standnocken, doch bemerkenswert: diese schweben in der Luft. Der Kasten liegt auf der oberen Gurtöse auf.
Die Befestigungsösen wirken ausreichend stabil. Die Schlösser sind aus Metall, die kleinen Nasen rasten nur wenige mm ein. Trotzdem würde ich erst mal sagen, dass die Schlösser sich nicht unbeabsichtigt öffnen. Aber ein etwas mulmiges Gefühl bleibt, denn wenn der Verschlußriegel einen cm angehoben und dann wieder losgelassen wird, ist das Schloss auf. Die Dichtung ist wie bei anderen Kästen auch vermutlich nur für leichte kurze Schauer widerstandsfähig genug, nicht für den Dauerregen.
Der Tragekomfort ist, wie bei allen Kästen mit nur einer zentralen oberen Öse, schlecht: die Karabiner drücken in den Rücken, und die Gurte schneiden in den Hals. Der Kasten könnte zudem höher am Rücken sitzen. Ein U-Bahn-Griff fehlt.
Zum Auseinanderklappen muss man etwas Kraft aufwenden, da die Dichtung auf Spannung steht.
Leider gibt es kein Bändchen, dass den Deckel bei 90° fixieren würde: man muss ihn voll, um 180°, aufklappen, oder gegen eine Wand lehnen.
Die Isolierung fühlt sich wie Styropor an und ist fast überall mindestens einen cm dick. Er lässt sich leicht eindellen, und die Delle bleibt dann auf ewig.
Der Styroporeinsatz im Deckel ist auf den ersten Blick ganz gut gelöst: der Bogen verschwindet vollständig zwischen zwei Rippen, theoretisch kann man also auf das Deckchen verzichten, das aber eh nicht mitgeliefert wird. Jedoch hat das Haar auf ganzer Länge Kontakt zum Stoff, es wird also viel Kolophon im Stoff zurückbleiben. Problematisch ist auch, dass sich der anscheinend sehr elastische Stoff im Bereich zwischen den Rippen vom Styropor abgelöst hat und unter doch ganz beachtlicher Spannung steht, wenn man den Bogen einlegt. Erstens übt das seitlichen Druck auf den Bogen aus, ich hätte Angst, dass er mit der Zeit krumm wird. Zweitens dürfte es schwer sein, den Bogen einzulegen, sollte sich der Stoff noch weiter ablösen. Dann hälfe nur noch ein Entlastungsschnitt mit dem Teppichmesser.
Gut ist allerdings, dass sehr viel Luft über dem Steg ist, was einem Stimmriss vorbeugt.
Sehr bemerkenswert ist die zweite Fehlkonstruktion: nun ist im Geigenbereich so ziemlich alles "genormt", die Aussparung für den Bogen ist jedoch ca. 1 cm zu kurz!
Das heißt, das Beinchen passt nicht mehr in den Schlitz. Dadurch können auch die Drehbogenhalter nicht mehr einrasten, halten den Bogen aber permanent seitlich auf Spannung.
Da der Schlitz für den Bogen aber der Bogenkrümmung nachempfunden ist, kann man das Problem nicht einfach dadurch lösen, dass man den Bogen umgekehrt einhängt.
Dritte Fehlkonstruktion: die "Schwebelagerung". Unter der Schnecke meiner Geige sind zwar noch 2 mm Platz (aber nicht mehr!), allerdings liegt der Hals am Fixier-Klett auf, was die "Schwebelagerung" etwas ad absurdum führt. Denn bei einem Stoß darf es ja keine Kräfte geben, die von unten auf den Hals einwirken und sich mit dem Saitenzug addieren, denn dann bricht der Hals ab. Das ist bei diesem Kasten aber der Fall!
Das Klettband, mit dem man die Geige fixiert, wirkt reichlich lieblos. Man muss zum Öffnen eine große "Klett-Strecke" lösen, es gibt keinen "Anfasser", und die Unterseite des Kletts, die ziemlich rauh und hart ist, liegt ohne weitere Polsterung auf den Saiten auf. Da der Hals Spielraum nach rechts und links hat, wird sich die empfindliche Bewicklung der Saiten vermutlich rasch durchscheuern, wenn man den Kasten auf dem Rücken durch die Gegend trägt.
Die Wirbel haben nur wenige mm Abstand von der Seitenwand. Unmöglich, hier noch eine Schulterstütze unterzubringen - weder über, noch neben, noch unter dem Hals.
Das Zubehörfach: der Überzugsstoff war teilweise abgelöst und stand so unter Spannung, dass er sich auch nicht zurückdrücken ließ. Man kann also nicht den gesamten Innenraum des Fachs nutzen, da es von abstehendem, unter Spannung stehendem Stoffbezug "blockiert" wird. Es zeigt sich das gleiche Phänomen wie bei den "Bogenschlitzen".
Ins Fach passt ein rechteckiges Stimmgerät gerade so, dann aber kein Kolophon mehr. Weder im Fach noch sonstwo im Kasten ist es möglich, Ersatzsaiten unterzubringen. Es wäre ein leichtes gewesen, im Bereich des Zubehörfachs die Isolierung dünner zu machen und hier zusätzlich Raum zu schaffen. Es wäre auch ein Leichtes gewesen, die Trennwand für das Zubehörfach noch einige cm Richtung Schnecke zu versetzen und dadurch das Fach zu vergrößern.
Bei en Tragegurten ist der "Karabiner" drehbar aufgehängt, aber alles ist aus Plastik mit augenscheinlich etwas dünn bemessenen Wandstärken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es lange dauert, bis er im täglichen Gebrauch bricht.
Ich finde es bemerkenswert, dass man sich als Hersteller so eine Anzahl an teilweise wirklich bemerkenswerten Konstruktionsfehlern leistet und dann noch den Mut aufbringt, mit "Made in Germany" zu werben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kasten herstellerseitig jemals mit einer Geige getestet wurde, bevor er in den Verkauf gebracht wurde, und erst recht nicht von Praktikern im täglichen Einsatz.
Wer ihn sinnvoll nutzen will, muss auf Ästhetik verzichten und das Innenleben mit dem Teppichmesser anpassen. Dann passt der Bogen, und man dürfte gerade eben eine Schulterstütze mit Klapp-Füßen unterbringen können, wenn man die Isolierung an einer Seite des Halses komplett entfernt.