Sauhübsch in metallischem Zweifarb-Schimmerlook, Klinkenbuchsen, trittfeste Schalter, anständige Oberflächenanzeigen, schönes Display, Akku via USB-C, superdeutliche Ladestandsanzeige – ich sah mich schon fast mein geliebtes Steckverstärkerchen Fender Mustang Micro Plus pensionieren, dessen fipsige Wipptaster und vor allem Kabelbuchse von schlechten Eltern sind (es ist schon mein dritter Headphone-Micromustang, einer ging noch während der Garantiezeit kaputt).
Aber weit gefehlt! Zu den Stärken des Mooer M1 gesellen sich eklatante Schwächen, allen voran der Sound. Davon später. Zunächst die urigste: Zwei leuchtfähige Druckknöpfe unterm Display: Der rechte Knopf schaltet das Gerät an und aus, der linke aktiviert den eingebauten Drumloop – und der rechte Knopf aktiviert zusätzlich den Tuner. Angeblich. Es funktioniert nicht. Welche Profikiffer mit Demenzaussetzern kommen auf die Idee, die Tuner-Aktivierung ausgerechnet auf den Ausschaltknopf zu legen? Haben die vorher bei der Bahn gearbeitet oder bei einer Behörde?
Fakt ist: Der Tuner ist ausschließlich per App erreichbar. Der rechte Knopf am Gerät schaltet bei längerem Drücken das Gerät entweder an oder aus. Wenn es an ist und du willst tunen - probier dein Glück: Der Knopf reagiert nicht auf Kurzdruck, und auf längeren geht das Gerät wieder aus. Viel Spaß damit vor Publikum!
Per Knopfdruck erreichbare Drumbeats – schön. Weniger praktisch die Tap-Tempo-Praxis. Die gerät entweder viel zu schnell oder viel zu langsam. Es lässt sich nicht vernymphtig dosieren. Ebenso schwer lässt sich der Drumloop wieder ausschalten: Die Weichgummi-Taste interpretiert das erstmal als Tempowunsch – meistens ganz nach unten, so an die 40 oder 20 bpm, gern beides hintereinander, um beim dritten Mal, wenn du nervös drauftippst, auf dass der Klopfgeist endlich Ruhe gebe, gleich auf flotte 220 bpm zu springen: alles mit dem jüngst ausgewählten Loop, der vor über 50 Takten schon hätte aufhören dürfen, bitteschon! Prädikat: Nicht publikumstauglich.
Die App ist nötig fürs Tunen und zum Editieren aller Sounds und Effekte. Auf dem Gerät beschränken sich die Optionen aufs Durchsteppen der jeweils vier Sounds enthaltenden Bänke zu Fuß. Gewöhnlich ein clean gemeinter Sound, ein crunchy gemeinter und dann noch zwei, die Hi Gain suggerieren wollen.
Die clean gemeinten sind im Verhältnis zu den groben anderen viel zu leise und effekthascherisch überladen. Der Crunch krantscht nicht und die Zerrsounds zielen allesamt auf volltrunkene Pubertiere, denen es reichen könnte, laut zu sein damit. Die App ist übersichtlich und selbsterklärend gestaltet, aber nicht bühnenfreundlich: Tuner wie Drumloop-Container sind nur über ein Menü und mehrfaches Weiterblättern von Seiten zu haben – viel zu umständlich, um mal eben einen Begleitbeat einsetzen oder gar das Instrument nachstimmen zu wollen.
Die Effekte sind grauslig. Reverb nur in homöopathischen Dosen erträglich, die Mods schäbig und die Delays nicht viel besser. Cab-Sims und Amps auch sehr selbstähnlich und kaum hörenswert. Fast alles zerrt von zu schrill bis zu dumpf. Die Presets haben den Charme von Plombenzieher-Bonbons: Du weißt schon bald, dass das alles gleich wehtun wird.
Ich behalte das Gerät trotzdem: Zum Üben geht's, auch für den einen oder anderen Kleinst- oder Kurzgig, wenn ich nicht mehr Sounds brauche als jene vier, die ich in stundenlanger Feinarbeit der App abzuringen vermochte (die online übrigens noch Austausch über Cloudverkehr bietet, was ich nicht probiert habe). Was ein Fender Mustang Micro Plus dagegen an editierbarer wie praktikabler Soundvielfalt auffährt (für nur 30 Taler mehr, in allerdings deutlich schäbigerem Gehäuse, das auch einen ganz anderen Einsatzort hat: die Gitarrenbuchse selbst)!
Das dicke Plus der Mooer-Minikiste ist ihre bühnentauglich robuste Einsetzbarkeit - mit starken Abstrichen an jeglicher Soundnuancierung oder gar Finesse. Ich weiß nicht, ob ich für die Werkspresets, die das Gerät zumutet, überhaupt jemals jung, zornig und berauscht genug gewesen wäre, um sie einsetzen zu wollen. Mit geduldiger Editierung sind einfache Eigenbau-Klänge machbar. Im Gerätedisplay angezeigt werden sie nur numerisch (1A, b usw.), dies immerhin deutlich. In der App sind sie namentlich sicht- und benennbar: dies recht komfortabel.
Sehr einfach und effektiv dort auch das Sortieren und Umplatzieren von Sounds auf gewünschte Speicherplätze, ebenso übersichtlich wie bequem.
Als Bonus sind bis zu zehn eigene IRs ladbar - was ich noch nicht probiert habe, da nirgends steht, wie die reinkommen ins Gerät und woher ich die hernehmen soll. Von denen jedoch anzunehmen ist, dass sie die klanglichen Möglichkeiten des Kistchens gehörig aufwerten könnten.
Die Drumloops sind nicht editierbar und klappern recht eintönig vor sich hin, nach Genres kategorisiert und bemüht, deren Klischees zu entsprechen. Tempi zu tappen erweist sich auch in der App als haptisch eher mühsam. Umso klarer ist die Tuner-Anzeige, hat man sich zu der erst einmal hingeklickt und -gewischt.
Die Portabilität und Robustheit des kleinen Schönlings macht - zusammen mit tadelloser Anbindung und Editierung durch eine weitgehend selbsterklärende App - die ebenso grundsätzlichen wie schwerwiegenden klanglichen Mängel gerade noch so wett. Bei mir hat das Ding sein Einsatzgebiet. Ich hätte ihm nur zu gern ein weit größeres und umfangreicheres gegönnt. Aber geht gerade so!