Wenn Du selbst Gitarre spielst, weißt Du genau, wie verschieden unterschiedliche Gitarristen und Spielweisen klingen. Wenn nicht, solltest Du Dich mit dem enormen Spektrum an Sounds vertraut machen, das alleine schon durch die Spielweise zustande kommt. Die Akustikgitarre ist ein sehr individuelles Instrument. Verschiedene Spieler erkennt man sofort an ihrem Sound, auch wenn sie das Equipment wechseln. Jeder Gitarrist hat einen etwas anderen Anschlag und einen anderen musikalischen Hintergrund. Wenn nicht ganz genau vorgeben ist, wie ein Part zu spielen ist - was in der Pop/Rockmusik ja selten der Fall ist - interpretieren verschiedene Gitarristen ihren musikalischen Beitrag ganz unterschiedlich. Ein Barré-Akkord in der fünften Lage klingt anders als derselbe Akkord offen gegriffen in der ersten Lage. Mit den Fingern angeschlagen klingt anders als mit dem Plektrum, und selbst verschiedene Plektrumstärken und -materialien äußern sich in enormen Klangunterschieden.
Die Gitarre hat ebenfalls großen Einfluss auf den Sound. Die verschiedenen Bauformen wie Dreadnought, Grand Concert, Jumbo etc. prägen das grundsätzliche Klangbild. Auswahl und Qualität der Klanghölzer tun ein Übriges, jeder Gitarre ihre eigene Stimme zu verleihen. Auf einer qualitativ hochwertigen Aufnahme sind diese Unterschiede durchaus noch auszumachen. Eine billige Sperrholzgitarre klingt auch mit dem tollsten Mikrofon aufgenommen nicht wie eine teure Gitarre aus edlen Massivhölzern. Darüber sollte man sich von Anfang an im Klaren sein. Die Unterschiede sind natürlich bei Soloaufnahmen viel deutlicher zu hören als bei einer Background-Schrammelgitarre in einem dichten Arrangement. Hier sind preiswerte Instrumente durchaus okay.
Der Aufnahmeraum hat einen entscheidenden Einfluss auf den Akustikgitarrensound. Ein kleiner, vollgepackter Raum mit Vorhängen und Polstermöbeln klingt ganz anders als ein großer, leerer Raum mit Betonwänden. Angenehm klingende Räume liegen irgendwo dazwischen. Der Raum sollte nicht zu hallig sein, aber auch nicht völlig tot. Mittelgroße Räume mit Parkettfußboden und/oder Holzverkleidung klingen oft sehr gut, vorausgesetzt es gibt keine störenden Raumresonanzen, die dem Sound in die Quere kommen. Lass Dein Ohr entscheiden und probiere auch verschiedene Positionen im Raum aus.
Ganz wichtig: Vor Aufnahmen sollte immer das Instrument gestimmt werden - und zwar so präzise wie nur möglich. Verstimmte Gitarren sind das Markenzeichen unprofessioneller Aufnahmen. Stimme zwischen Takes immer wieder nach. Die korrekte Stimmung wird um so wichtiger, je mehr Gitarrenspuren aufgezeichnet werden. Zwei oder mehr gedoppelte Gitarren klingen toll, ist aber Eine minimal zu tief und die andere minimal zu hoch gestimmt, kann in der Summe der Tonhöhenunterschied schon in den kritischen Bereich gehen. Der Sound beginnt zu "eiern" wie bei einem übertriebenen Chorus-Effekt.
Ein digitales Stimmgerät ist eine große Hilfe. Gerade bei längeren Sessions ermüden die Ohren; da ist es gut, wenn man sich auch auf eine optische Anzeige verlassen kann. Vergiss jedoch nicht, dass das Stimmen die Unbeteiligten doppelt nervt, weil sie tatenlos warten müssen. Ein gutes Stimmgerät beschleunigt den Vorgang. Spätestens bei einer 12-saitigen Gitarre kann eine Aufnahmesession ohne Stimmgerät zur Tortur werden. Sei nett zu Deinen Kollegen und dem Personal im Studio!
Wenn Du einen obertonreichen, frischen Sound wünschst, dann denke daran, frische Saiten aufzuziehen. Am besten einen Tag vor der Aufnahmesession, damit sich die Stimmung in der Zwischenzeit stabilisiert hat.