Der Klark Teknik 76-KT ist ein Gerät, das polarisiert – und zwar weniger wegen seiner technischen Leistung als vielmehr wegen der Erwartungshaltung, die ihm von manchen YouTube-Puristen übergestülpt wird. Diese vergleichen ihn mit einem Urei 1176LN aus den 70er-Jahren, das heute als Vintage-Einzelstück gehandelt wird wie eine Stradivari. Dass ein moderner FET-Kompressor für zum Kaufzeitpunkt rund 170 Euro nicht exakt wie ein spezifisches, vor über 50 Jahren gefertigtes, gealtertes und individuell geprägtes Exemplar klingt, sollte jedem mit einem Funken technischem Verständnis sofort klar sein. Und dennoch: Wer sich vom Mythos der Unvergleichbarkeit nicht blenden lässt und stattdessen mit offenen Ohren und realistischer Erwartungshaltung an den 76-KT herangeht, wird angenehm überrascht sein.
Denn was Klark Teknik hier abliefert, ist kein Blender, sondern ein praxisnaher, musikalisch sehr gut nutzbarer FET-Kompressor mit echtem Mojo. Der 76-KT liefert genau das, was man sich in der Summe von einem Kompressor dieses Typs erhofft: schnelles und charaktervolles Gain-Management, die Möglichkeit zur subtilen Verdichtung ebenso wie zur aggressiven Klangformung – inklusive des berühmten „All-Buttons-In“-Tricks, der hier wie beim Original zuverlässig für massive Transientenverformung und Punch sorgt. Die klangliche Färbung ist deutlich, aber musikalisch und kontrolliert, mit einem Hauch von Vintage-Anmutung, ohne ins billige Imitat abzurutschen. Und wer das Zusammenspiel mit dem EQP-KT und 2A-KT ausprobiert hat, weiß, dass sich hier für kleines Geld ein bemerkenswert leistungsfähiger Signalweg bauen lässt – zu einem Preis, der im Vergleich zu Boutique-Klonen schlicht unschlagbar ist.
Technisch ist der 76-KT solide ausgestattet: Class-A-Ausgangsverstärker, MIDAS-Ein- und Ausgangsübertrager, transformator-symmetrierte XLR-Anschlüsse, VU-Meter zur Anzeige von Gain Reduction oder Pegel, vier Ratio-Stufen (4:1, 8:1, 12:1, 20:1) plus der legendäre „All-In“-Modus, Attackzeiten von 20 bis 800 µs und Releasezeiten zwischen 80 und 700 ms. Die Justierschraube auf der Rückseite erlaubt das Kalibrieren des VU-Meters, der PAD-Schalter senkt den Eingangspegel ab – alles funktional, logisch platziert und robust verbaut. Das Gehäuse besteht vollständig aus Metall, ist rackfähig (2 HE) und fühlt sich rundum solide an. Die Netzversorgung erfolgt über ein automatisches Weitbereichs-Schaltnetzteil, was den Einsatz weltweit erleichtert. Man merkt, dass das Design nicht aus einem Schnellschuss entstanden ist, sondern dass hier jemand mit technischem Feingefühl einen modernen, zuverlässigen und vielseitigen Kompressor entwickelt hat.
Und damit zum für mich persönlich wichtigsten Punkt: dem Arbeitsgefühl. Die Haptik eines echten Geräts, das direkte Eingreifen in den Sound, das sofortige akustische Feedback – all das ist durch keine noch so gute Plugin-Emulation zu ersetzen. Ich habe viele 1176-Plugins getestet, einige davon sehr überzeugend – aber keines davon klingt wie der 76-KT, wenn man ihn aufdreht und der Kompressor „arbeitet“. Das ist keine Frage von besser oder schlechter – es ist einfach direkter, unmittelbarer, greifbarer. Und das macht im kreativen Prozess einen Unterschied, den man nicht unterschätzen sollte.
Als pragmatischer Hinweis für die Praxis sei ergänzt: FET-Kompressoren entwickeln naturgemäß Wärme. Wer mehrere davon ins Rack schraubt, sollte unbedingt für ausreichende Belüftung sorgen. Ein halber HE Abstand zwischen den Geräten – im Zweifel mit einer Lüftungsblende – verlängert die Lebensdauer deutlich. In meinem Rack sorgt das bereits für spürbar bessere Temperaturwerte. Wer keine HE „verschenken“ kann, sollte zumindest über eine leise aktive Lüftung nachdenken.
Unterm Strich bleibt der 76-KT für mich ein echtes Highlight. Er klingt nicht wie ein 1970er-Jahre-Urei. Er klingt wie ein Klark Teknik 76-KT – und das ist mehr als gut genug.
Vorteile
+ Authentisches FET-Kompressionsverhalten mit musikalischer Färbung
+ „All-Buttons-In“-Modus zuverlässig nutzbar
+ Vintage-Style VU-Meter mit Justierschraube
+ Symmetrische XLR-Anschlüsse mit Transformator-Symmetrierung
+ Ultra-schnelle Attackzeiten, musikalische Releasewerte
+ Klanglich Software-Emulationen überlegen
+ Exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis
Wissenswert
* Kein Sidechain-Eingang (wie beim Original)
* Nur Mono und kein Stereo-Link (das Original hatte das in späteren Revisionen in rudimentärer Form)