Die bisherigen Bewertungen finde ich sehr kenntnisreich und durchdacht. Kein reines Bashing, kein reiner Hype. Es stimmt: Youtube-Videos sind zwar *viel besser* als in früheren Zeiten die Artikel in werbeabhängigen Zeitschriften, in denen selten selbst offensichtliche Mängel kritisiert wurden. Aber auch auf youtube ist der Hype zuhause, und man tut gut daran, sich ein eigenes (Klang)Bild zu machen.
Zur Verarbeitung: Sie ist keinesfalls schlecht, aber gut ist sie auch nicht. Bei mir rappelte das Metallgehäuse beim Spielen, weshalb ich auf Anweisung des Supports den Synth aufgeschraubt habe, um zu schauen, ob die Platinen alle richtig im Board stecken. Als erstes kamen mir an beiden Seiten lose Schrauben entgegen, die jedenfalls nicht da waren, wo sie hingehörten. Potis und Schieberegler sind sehr solide, aber die Tastatur ist für so einen teuren Synth maximal mittelmäßig.
Den Sound finde ich eigenständig und überzeugend. Aber es soll ja Leute geben, die sogar den noch von Bob Moog konzipierten Voyager klanglich ablehnen, insofern verwundert es nicht, dass auch den Muse Kritik trifft. Es gibt indes ja auch hier einen Kommentar von jemandem, der gute Vergleiche hat (Memorymoog), und ich denke, man kann schon sagen, dass der Muse fett und sehr gut klingt.
Was erstaunlicherweise fast nie erwähnt wird: Der Muse hat ein großes Tuning-Problem. Mir ist das schon bei vielen youtube-Videos aufgefallen, aber ich hätte nicht gedacht, dass es "in echt" so wild ist. Teilweise kann man es als charmant analog bezeichnen, teilweise sind Oszillatoren auch schon mal so verstimmt, dass ich das nicht bei einer Aufnahme verwenden würde. Zuerst hatte ich mich nicht getraut, aber ich kann nur jedem empfehlen, die große Kalibrierung laufen zu lassen (die bis zu 3 Stunden (!) dauert). Danach fühlte sich der Synth nicht nur stabiler in tune an, sondern alles wirkte sehr viel griffiger und besser abgestimmt. Mir fehlt leider das technische Verständnis dafür, wie diese Unterschiede zustande kommen, aber ich habe auch beim NINA manchmal ziemliche Tuning-Probleme, während der Polybrute 12 absolut stabil ist. Also, beim Muse finde ich das grenzwertig, muss ich sagen.
Ansonsten sehe ich es so: Moog hat einen sehr guten Weg gefunden, die klangliche und technische Tradition ins Heute zu bringen. Der Muse hat bei der Klangerzeugung alles, was man sich von einem Moog wünscht, katapultiert dies aber mit ziemlich genialen Konzepten für Sequenzer und Arpeggiator in die Zukunft. Lediglich beim Delay habe ich so meine Zweifel. Zum einen ärgert mich, dass ausgerechnet das digitale Element in der Klangkette seriös rauscht, und zum andern vermisst man am Ende doch einfach einen guten Hall … so innovativ das Konzept des Delays auch ist.
Für mich ist der Muse ein würdiger Moog Polysynth, allerdings ist er momentan noch etwas davon entfernt, vollendet zu sein. Mit der technischen Brillanz eines Polybrute 12 und auch mit dessen Gesamtqualität kann er allerdings nicht mithalten.
