Behringer Chaos ist für mich ein Modul mit zwei Gesichtern: Auf der einen Seite steht der immense Respekt gegenüber dem Original – Mutable Instruments Marbles – und der damit verbundenen Idee von kontrolliertem Zufall in musikalischen Systemen. Auf der anderen Seite habe ich persönlich bislang keinen wirklich intuitiven Zugang gefunden, obwohl ich die Möglichkeiten absolut schätze. Das ist kein Widerspruch, sondern spiegelt die Eigenheit dieses Moduls wider: Es verlangt Geduld, Verständnis und den Willen, sich wirklich auf generatives Arbeiten einzulassen.
Was Behringer hier macht, ist eine nahezu identische Umsetzung von Marbles – nicht nur funktional, sondern bis ins Layout hinein. Die linke Seite mit ihren drei Gate-Kanälen t1 bis t3 erzeugt rhythmisch variierte Trigger auf Basis einer internen oder externen Clock, inklusive Jitter, Bias und Wahrscheinlichkeiten. Die rechte Seite, X1 bis X3, spuckt kontinuierliche Spannungen aus – randomisiert, aber steuerbar über Spread, Bias, Quantisierung und Deja-Vu-Schleifen. Das Ganze wirkt wie ein statistisch steuerbarer Kompositionsautomat, ein Werkzeug für alle, die Zufall nicht nur akzeptieren, sondern gestalten wollen. Dass die Firmware ganz offensichtlich auf dem Open-Source-Code von Marbles basiert, ist keine Überraschung – aber ein weiteres Beispiel dafür, was Emilie Gillet der Modularwelt geschenkt hat. Ohne ihre Entscheidung, nicht nur ihre Schaltungen, sondern auch ihre Firmware zu öffnen, wären solche Klone nicht möglich. Ihre Großzügigkeit hat den Zugang zu diesen tiefgründigen Werkzeugen enorm erweitert.
Trotzdem komme ich mit dem Chaos – noch – nicht vollständig zurecht. Ich merke, wie ich oft einfach nur herumprobiere, anstatt gezielt etwas zu patchen. Dazu kommt die typische Behringer-Kompromisskonstruktion: keine verschraubten Potis oder Buchsen, sondern direkt auf die Platine gesetzt, was zwar Kosten spart, aber auch auf Dauer mechanisch fragwürdig ist. Das Panel selbst wird nur über Löcher montiert, nicht über Schlitze – für Racks mit Nietmuttern oder Käfigmuttern oft ein Ärgernis. Die Verarbeitung insgesamt wirkt funktional, aber nicht hochwertig. Das Modul tut, was es soll, aber es fühlt sich nicht so an, als sei es für die Ewigkeit gebaut.
Dennoch: Für den Preis – zum Kaufzeitpunkt knapp unter 100 Euro – ist das Chaos ein bemerkenswertes Angebot. Dass Behringer das Modul zu diesem Kurs anbieten kann, ist wirtschaftlich betrachtet beeindruckend. Die Kehrseite ist allerdings: Wer denkt, große Fabriken in China spucken diese Module wie Smarties aus, wird oft eines Besseren belehrt. Die Lieferzeiten erinnern manchmal eher an einen italienischen Kleinserien-Sportwagen – bestellt, gewartet, gehofft. Doch wenn es dann da ist, liefert es. Und zwar nicht irgendeinen Zufall, sondern einen statistisch modellierbaren, musikalisch steuerbaren Output, der sich mit ein wenig Geduld nahtlos ins kreative Setup einfügt.
Ich bin noch nicht am Ziel mit diesem Modul, aber ich habe verstanden, dass das Teil der Reise ist. Für Nerds, die Marbles schon kennen, ist Chaos eine günstigere, aber respektable Kopie. Für Einsteiger ist es ein spannender, wenn auch fordernder Einstieg in die Welt generativer Modularmusik. Und für alle ist es ein Beweis dafür, wie weit ein mutiger Open-Source-Ansatz tragen kann – und wie wichtig es ist, nicht nur den Preis, sondern auch den Kontext zu würdigen.
Vorteile
+ Nahezu identisches Layout und Funktionsumfang wie Mutable Marbles
+ Sehr günstiger Preis
+ Ideales Modul für generative Patches und kontrollierten Zufall
+ Firmware basiert auf dem Open-Source-Code von Mutable Instruments
+ Große Community und viel dokumentiertes Wissen verfügbar
Wissenswert
- Keine verschraubten Potis oder Buchsen, mechanisch langfristig fraglich